6 Zustimmungs­bedürftige Geschäfte

Abgrenzung zum Gesell­schaft­erweisungs­recht

Zustimmungsbedürftige Geschäfte sind solche, bei denen Vorstand bzw. Geschäftsführung vor der rechtswirksamen Durchführung die Zustimmung des Aufsichtsrats einzuholen haben.

Derartige Zustimmungsvorbehalte des Aufsichtsrats sind eines der wichtigsten Mittel der prospektiven Überwachung des Vorstands bzw. der Geschäftsführung. Sie sind abzugrenzen von Weisungen, die einem Vorstand bzw. einer Geschäftsführung erteilt werden. Dem Aufsichtsrat stehen derartige Weisungsrechte in keinem Fall zu.

Der Vorstand einer Aktiengesellschaft ist darüber hinaus überhaupt nicht weisungsgebunden (§ 76 Abs. 1 AktG), es sei denn, die Gesellschaft ist vertraglich durch ein anderes Unternehmen beherrscht (§ 291 Abs. 1 AktG). Nur in diesem Fall könnte der Vorstand bzw. die Geschäftsführung des herrschenden Unternehmens dem Vorstand der abhängigen Aktiengesellschaft Weisungen erteilen.

Der Geschäftsführung der GmbH können allerdings durch Beschluss der Gesellschafter („Gesellschafterversammlung“) grundsätzlich jederzeit Weisungen erteilt werden (§ 37 Abs. 1 GmbHG).

Die folgende Abbildung verdeutlicht diesen Unterschied:

Zustimmungsbedürftige Geschäfte

Abbildung 5: Weisungsfreiheit des AG-Vorstands vs. Weisungsgebundenheit der GmbH-Geschäftsführung

Gemäß § 111 Abs. 4 Satz 1 AktG dürfen Maßnahmen der Geschäftsführung nicht an den Aufsichtsrat übertragen werden. Dieser Grundsatz wird auch durch Zustimmungsvorbehalte nicht aufgehoben, ist aber in diesem Zusammenhang zu beachten.

Der Aufsichtsrat kann dem Vorstand deshalb keine bestimmte Verhaltensweise positiv vorschreiben. Er kann nur beabsichtigte Maßnahmen verhindern („Veto“), in dem er sie seiner Zustimmung unterwirft und diese nicht erteilt.

Festlegung von Zustimmungs­vorbehalten durch Satzung oder Aufsichtsrat

Gemäß § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG hat:

„die Satzung oder der Aufsichtsrat (…) jedoch zu bestimmen, daß bestimmte Arten von Geschäften nur mit seiner Zustimmung vorgenommen werden dürfen.“

Satzungsgeber (Haupt- bzw. Gesellschafterversammlung) und Aufsichtsrat sind danach unabhängig voneinander befugt, Zustimmungsvorbehalte festzulegen. Satzungsmäßige Zustimmungsvorbehalte kann der Aufsichtsrat weder aufheben noch durch Erteilung einer „Generalzustimmung“ überspielen. Allerdings kann die Satzung das Recht des (obligatorischen) Aufsichtsrats zur Anordnung (weiterer) Zustimmungsvorbehalte weder ausschließen noch beschränken.

Die Einrichtung eines Zustimmungsvorbehalts durch den Aufsichtsrat erfordert einen Beschluss des gesamten Aufsichtsrats („Plenarbeschluss“) – ist also nicht an Ausschüsse delegierbar.

Es liegt im pflichtgemäßen Ermessen des Aufsichtsrats, auszuwählen, welche (bedeutsamen) Geschäfte dem Zustimmungsvorbehalt unterliegen. Grundsätzlich sollten alle Geschäfte von grundlegender Bedeutung im „Zustimmungskatalog“ erfasst sein.

Die Pflicht des Aufsichtsrats zu gewissenhafter Kontrolle des Vorstands bzw. der Geschäftsführung kann es erfordern, bestimmte Maßnahmen der Zustimmungspflicht auch zusätzlich zu einem bereits bestehenden Zustimmungskatalog zu unterwerfen. Nach der Rechtsprechung des BGH reduziert sich das Ermessen des Aufsichtsrats zur Festlegung zustimmungsbedürftiger Geschäfte sogar auf eine Pflicht, wenn eine gesetzeswidrige Maßnahme des Vorstands bzw. der Geschäftsführung nur durch einen Zustimmungsvorbehalt verhindert werden kann.

Umfang und Inhalt der zustimmungsbedürftigen Geschäfte

Zustimmungsvorbehalte können nur für „bestimmte Arten von Geschäften“ (§ 111 Abs. 4 Satz 2 AktG) festgelegt werden. Generalklauselartige Vorbehalte sind unzulässig. Praxisbeispiele für Zustimmungsvorbehalte sind:

  • Jahresplanung (Erfolgs-, Finanz- und Investitionsplan) sowie deren Änderungen und Überschreitungen,
  • Gründung von Tochtergesellschaften und Zweigniederlassungen,
  • Erwerb und Veräußerungen von Unternehmen und Unternehmensteilen über x.xxx T€,
  • Erwerb und Veräußerung von Grundbesitz über x.xxx T€,
  • Aufnahme und Gewährung von Krediten über x.xxx T€,
  • Einführung und Änderung von Optionsplänen für Mitarbeiter,
  • Aufnahme neuer Produkte und Produktionen sowie deren Aufgabe,
  • Bestellung und Abberufung von Vorständen / Geschäftsführern in wesentlichen Tochtergesellschaften sowie
  • Pflicht des Vorstands, in Tochterunternehmen für die Einführung entsprechender Zustimmungsvorbehalte zu sorgen und seine Zustimmung erst nach Zustimmung des Aufsichtsrats zu erteilen.

Zustimmungspflichten sind auch für einzelne herausragend bedeutende Geschäfte möglich. Zustimmungsvorbehalte finden ihre Anordnungsgrenze dort, wo sie in die Leitungsautonomie des Vorstands (§ 76 Abs. 1 AktG) eingreifen.

Prüfungs­pflicht des Aufsichts­rats vor Zustimmungs­erteilung

Vor Erteilung seiner Zustimmung hat der Aufsichtsrat das Begehren des Vorstands bzw. der Geschäftsführung zu prüfen. Eine Zustimmung ohne vorherige Prüfung stellt eine Sorgfaltspflichtverletzung dar, die im Schadensfall zur Haftung des Aufsichtsratsmitglieds führen kann.

Einschlägig ist hier das Urteil des BGH II ZR 243/05 vom 11.12.2006:

„Der fakultative Aufsichtsrat einer GmbH, dem die Zustimmung zu bestimmten Geschäften der Geschäftsführung nach § 52 Abs. 1 GmbHG, § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG vorbehalten ist (…), verletzt seine zur Haftung führenden organschaftlichen Pflichten nicht erst dann, wenn er die Geschäftsführung an von seiner Zustimmung nicht gedeckten Zahlungen nicht hindert, sondern bereits dann, wenn er ohne gebotene Information und darauf aufbauender Chancen- und Risikoabschätzung seine Zustimmung zu nachteiligen Geschäften erteilt.“

„Zustimmungsvorbehalte (…) sind das Instrument vorbeugender Kontrolle des Aufsichtsrats, Maßnahmen der Geschäftsleitung, die möglicherweise nicht mehr rückgängig gemacht werden können, von vornherein zu unterbinden. Die Aufsichtsratsmitglieder trifft eine – ggfs. neben die Haftung der geschäftsführenden Organe tretende – Schadensersatzpflicht, wenn sie die Zustimmung zu einem Geschäft erteilen, die sie bei pflichtgemäßem Handeln hätten verweigern müssen.“ (BGH, a. a. O.)

Vor diesem Hintergrund ist zu berücksichtigen, dass die so genannte „Business Judgement Rule“, die im Schadensfall zur „Enthaftung“ des Organmitglieds führt, auch für Aufsichtsratsmitglieder gilt:

Gemäß § 93 Abs. 1 S. 2 AktG liegt

  • keine Pflichtverletzung des Organmitglieds vor, wenn dieses
  • bei seiner unternehmerischen Entscheidung
  • vernünftigerweise annehmen durfte,
  • auf Basis angemessener Informationen
  • zum Wohle der Gesellschaft zu handeln und
  • keinen sachfremden Einflüssen zu unterliegen.

Näheres zu den Anwendungsvoraussetzungen dieser Regel wird in einem gesonderten Abschnitt zur „Business Judgement Rule“ dargestellt.

Zustimmungs­ersetzung durch Anteils­eigner

In § 111 Abs. 4 Sätze 3 bis 5 AktG heißt es:

„Verweigert der Aufsichtsrat seine Zustimmung, so kann der Vorstand verlangen, daß die Hauptversammlung über die Zustimmung beschließt. Der Beschluss durch den die Hauptversammlung zustimmt, bedarf einer Mehrheit, die mindestens drei Viertel der abgegebenen Stimmen umfasst. Die Satzung kann weder eine andere Mehrheit noch weitere Erfordernisse bestimmen.“

Auch aus dieser Regelung resultiert jedoch kein „Aktionärsweisungsrecht“ gegenüber dem Vorstand der Aktiengesellschaft.

Für den GmbH-Aufsichtsrat wird mitunter davon ausgegangen, dass das Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung (§ 37 Abs. 1 GmbHG) gegenüber der Geschäftsführung ein Zustimmungserfordernis des Aufsichtsrats (zumindest) teilweise ins Leere laufen ließe.

In diesem Zusammenhang ist deshalb zunächst darauf hinzuweisen, dass auch dem GmbH-Aufsichtsrat das Recht (und die Pflicht!) zusteht, „zu bestimmen, dass bestimmte Arten von Geschäften nur mit seiner Zustimmung vorgenommen werden dürfen.“ § 111 Abs. 4 S. 2 AktG gilt für den obligatorischen GmbH-Aufsichtsrat zwingend gemäß

  • § 25 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 MitbestG und
  • § 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG.

Auch § 52 GmbH verweist auf § 111 AktG, sodass für den fakultativen GmbH-Aufsichtsrat nur bei ausdrücklich abweichender Satzungsregelung etwas anderes gilt.

Selbst wenn die Geschäftsführung durch die Gesellschafterversammlung zu einem Geschäft angewiesen ist, das der Zustimmung des Aufsichtsrats bedarf, hätte sie diese einzuholen.

In der Praxis wird allerdings für den obligatorischen GmbH-Aufsichtsrat (gebildet nach dem DrittelbG bzw. MitbestG) – mit Verweis auf die wohl herrschende Meinung – unterstellt, dass ein Zustimmungsvorbehalt des Aufsichtsrats solche Maßnahmen nicht erfassen würde, zu denen die Geschäftsführung von den Gesellschaftern angewiesen wurde. Zustimmungsvorbehalte des Aufsichtsrats könnten sich nach dieser Rechtsauffassung in diesen Fällen nur dann auswirken, wenn der Geschäftsführung bei Durchführung der Anweisung ein eigener Ermessensspielraum verbleibt.

Es ist aber darauf hinzuweisen, dass der Aufsichtsrat auch im Falle einer erfolgten Gesellschafteranweisung weiterhin zur Überwachung der Geschäftsführung verpflichtet ist.

Der Aufsichtsrat sollte – v. a. bei Geschäften, die aus seiner Sicht nachteilig für die Gesellschaft oder gar rechtswidrig sind – die Geschäftsführung zur Unterlassung auffordern und dies der Gesellschafterversammlung mitteilen.

Verweigert der Aufsichtsrat seine Zustimmung, so können die Geschäftsführer die Gesellschafterversammlung anrufen. Die Zustimmungsersetzung erfordert allerdings nur eine einfache Mehrheit.

Verstoß gegen Zustimmungs­vorbehalte des Aufsichts­rats

Die Zustimmung des Aufsichtsrats ist nur im Innenverhältnis zwischen Vorstand bzw. Geschäftsführung und der Gesellschaft von Bedeutung. Auch bei versagter Zustimmung kann der Vorstand nach außen rechtswirksam handeln. Er darf es aber nicht und handelt pflichtwidrig, wenn er sich über das Fehlen der Zustimmung hinwegsetzt.

Gegen die Zustimmungsverweigerung des Aufsichtsrats kann der Vorstand die Hauptversammlung anrufen (§ 111 Abs. 4 Sätze 3 bis 5 AktG), siehe oben.

Die Zustimmung ist vor der Durchführung des beabsichtigten Geschäfts einzuholen. Bei nur nachträglicher Genehmigung stünde der Aufsichtsrat vor vollendeten Verhältnissen. Der Zweck der Zustimmungsvorbehalte wäre verfehlt. Auch in dringenden Fällen besteht in der Regel die Möglichkeit telefonischer Beschlussfassung und schriftlicher Stimmabgabe, sodass der Aufsichtsrat auch Eilsituationen gewachsen ist. In jedem Fall ist zu versuchen, eine Entscheidung des Aufsichtsrats zu erlangen.

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